Waldglas im Schwäbisch-Fränkischen Wald
 

Waldglas

Glas in der Geschichte
In früherer Zeit war Glas ein gesuchtes Luxusgut, das sich nur Adelsgeschlechter, Kaiser, Könige und Kirchenfürsten leisten konnten. Die Trink- und Essgefäße der einfachen Bürger waren aus Ton oder Holz. Mit dem Aufblühen der Städte und Siedlungen im 15. Jahrhundert und des sich immer stärker entwickelnden Bürgertums wandelten sich die Glaswaren zunehmend zum Gebrauchsgut.


Die Waldglashütten
Im späten Mittelalter wurden die Glashütten meist in den Wäldern errichtet. Damit konnte der in großen Mengen notwendige Rohstoff Holz ohne großen Transportaufwand direkt vor Ort verwendet werden.
Die einfachen Waldglashütten waren auf Abbruch errichtet. Hatte man die genehmigte Holzmenge verbraucht, waren meistens auch die Öfen und Schmelzhäfen von der Hitze zerstört. Die Glasmacherfamilien zogen weiter und gründeten neue Hütten. Waren große Holzvorkommen vorhanden, blieben die Hütten standorttreu. Um die Hütten entstanden dann Ortschaften und entwickelten sich zu bäuerlichen Siedlungen.


Leben und Arbeit in den Waldglashütten
Der Hüttmeister als Besitzer der Hütte verhandelte mit der Herrschaft um die Nutzungsrechte im Wald und erhielt einen Lehensvertrag, dessen Bedingungen in einem Bestandsbrief festgehalten wurden. Gegen ein jährlich zu zahlendes Pachtgeld durfte er eine bestimmte Menge Holz schlagen, das Glas schmelzen, verarbeiten und vertreiben.
Die Hütten beschäftigten eine Menge Arbeiter und Handlanger. Es gab Walzenmacher, Strecker, Aufbläser, Trinkglasmacher, Römermacher, Scheibenmacher, Fensterglasmacher, außerdem noch Scheithauer, Scheitdörrer, Schürer, Ofenmaurer, Aschenknechte, Glasschneider, Glasträger. Es bestand also auch in dieser Zeit schon eine starke Arbeitsteilung. Je nach ausgeübter Tätigkeit war der Verdienst gut - oder reichte kaum zum Überleben. Gute Glasbläser waren geschätzte Arbeitskräfte. Anders sah es z.B. mit den Scheitdörrern oder Aschenknechten aus. Sie gehörten zu den Ärmsten und konnten jederzeit entlassen werden. Die Glasmacher stammten aus einem kleinen Kreis von Familien, die ihre Glasmacherkunst sorgsam pflegten. Im Schwäbisch-Fränkischen Wald wird die Familie Greiner im 15. Jahrhundert als Glasmacher sesshaft. Das zweite bedeutende Glasmachergeschlecht waren die Wenzel, die Anfang des 17. Jahrhunderts in diesem Raum erschienen.

Die Technik der Glasherstellung

Zusammensetzung
Zur Glasherstellung werden drei Grundstoffe benötigt: Quarz, Kalk und Pottasche. Die Glas bildende Substanz ist Quarz (Siliziumdioxid). Kalk erhöht die Festigkeit der Glasmasse. Um den hohen Schmelzpunkt (1600°C) des Quarzsandes zu senken, wurde als Flussmittel ein Alkali (Pottasche) hinzugefügt. Pottasche wird durch Auslaugen (Auflösen in Wasser und anschließendes Verdampfen) aus Holzasche gewonnen. Die Hütte Spiegelberg benötigte jährlich bis zu 800 Zentner dieser Pottasche. Ein Festmeter Holz ergab ungefähr 1 kg Pottasche. Somit hatte die Hütte Spiegelberg einen jährlichen Bedarf von 40.000 Festmetern Holz nur für die Pottascheherstellung! Der hohe Holzverbrauch hatte verheerende Auswirkungen auf den Waldbestand.
Das Gemenge für die jeweilige Glasschmelze erstellte der Hüttmeister selbst. Die genaue Zusammensetzung der Bestandteile war ein gut gehütetes Geheimnis.

Schmelze
Das Gemenge wurde in Schmelzhäfen in den Ofen eingebracht. Die Häfen wurden aus feuerfestem Ton hergestellt. In den Hütten des Mainhardter Waldes wurde vorwiegend Ton aus der Heilbronner Gegend verwendet. Bei vielen ehemaligen Hüttenstandorten lassen sich unzählige Fragmente nachweisen, was auf die geringe Lebensdauer hinweist.
Die Öfen wurden Tag und Nacht in Gang gehalten. Die benötigte Hitze von ca. 1200° war so hoch, dass ein Schmelzofen meist nicht länger als 4 Monate hielt und dann neu aufgebaut werden musste.

Färbung
Typisch für Waldglas ist die grüne Farbe, die durch Eisenoxid zustande kommt, da Sand aus Naturvorkommen fast immer Eisenoxid enthält. Sie variiert von dunkel- bis hellgrün, aber auch von blaugrün bis bräunlich.
Doch auch die gezielte Färbung der Glasmasse durch Metalloxide und -salze ist seit den Anfängen der Glasherstellung bekannt, z.B. mit Kobalt (blau), Mangan (violett) oder Kupfer (rot). Die Entfärbung des Gemenges durch Braunstein (Manganoxid) verbreitete sich erst im 18. Jahrhundert.

 Verarbeitung

War die Glasmasse geschmolzen, gingen die Glasmacher mit ihren Pfeifen oft tage- und nächtelang an die Arbeit, bis die gesamte Schmelze verarbeitet war.
Glas wurde hauptsächlich in zwei Arten hergestellt: als Flachglas (Fensterglas, Butzenscheiben, Mondglas und Spiegelglas) und als Hohlglas (Gebrauchsglasgefäße).
Hohlgläser wurden frei oder in Formen aus Ton und Holz geblasen.
Die Herstellung von Flachglas war früher schwieriger: Der Walzenmacher musste die weiche, aber zähe Masse zu einem großen, frei schwebenden Zylinder, der Walze, aufblasen. Diese wurde im noch warmen Zustand aufgeschnitten und vom Strecker im Streckofen zu einer Tafel ausgebügelt.
Die Einträger brachten die Glaswaren zum langsamen Abkühlen in den Kühlofen um die bei der Bearbeitung entstandenen Spannungen abzubauen.



Apothekerflasche (sog. Blätterlein) Glashütte Neulautern, 17. Jahrhundert