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SÜDHARZ
Die Gläserne Spur // Glasmuseum Steina (Text und Bild Jörge Schiers)
Glas als moderner Werkstoff erscheint meist so alltäglich, dass er kaum bewusst wahrgenommen wird. Dabei beginnt seine Entwicklung bereits vor mehreren tausend Jahren und folgt einem spannenden Weg. Auf diesem konzentrieren sich im Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit in den Mittelgebirgen zahlreiche Glashütten. Holz als Energieträger, die Wasserkraft der Bäche, befördert von einer rasant steigenden Glasnachfrage, geben die Richtung vor. Es ist die Epoche der Waldglaszeit, bestimmt von Zunftbetrieben, so auch vom 1406 begründeten „Spessartbund“ hessischer Glasmacher.
Zu Beginn des 16. Jahrhunderts taucht diese Zunft im Südharz auf, auch in Steina und Bad Sachsa und „besetzt“ dort die Wälder. Das Holz ist wichtig. Es wird in großen Mengen zur Glasschmelze benötigt. Daneben hat man die gute Verfügbarkeit aller notwendigen Grundstoffe im Blick. Unter einfachsten Bedingungen wird neben Fensterglas, Flaschen, Destilliergerät und sonstigem auch feines Tafelglas gefertigt. Kaum zweihundert Jahre später sind die Waldglashütten wieder verschwunden und bald vergessen.
Eine Erklärung dafür gibt unter anderem die Entwicklung im Harzer Bergbau. Dieser läuft nach mehr als 200jähriger Ruhe etwa zeitgleich mit der Einrichtung von Waldglashütten im Südharz wieder an. Die Wälder hatten sich von der ersten Bergbauperiode erholen können und werden nun mit kaum fassbaren Holzmengen ein zweites Mal für montane Zwecke ausgebeutet (Holzkohle zur Erzverhüttung, Gruben- und Konstruktionsholz). Übernutzung, Raubbau und Waldverwüstung sind die Folge. Holz wird zum knappen Gut. Die Montanwirtschaft besitzt beim Zugriff darauf die Oberhand, die Glasmacher werden verdrängt.
Vor diesem historischen Hintergrund der Waldglashüttenzeit im Südharz gründet sich im Jahr 1993 ein „Förderverein Glasmuseum Steina e. V“. Sein Ziel ist die Bewahrung dieses Teiles der Heimatgeschichte für den Ort, verbunden mit der Schaffung eines Museums zum Thema Glas. Im Jahr 1994 ist bereits Eröffnung des Museums, dem die Vorlage einer Museumsbegleitschrift „Die gläserne Spur“ im Jahr 1998 folgt. Ihr Inhalt informiert über die Entstehung und Entwicklung des Werkstoffes Glas, als Schwerpunkt jedoch wird über die Epoche der Waldglaszeit im Raum Bad Sachsa / Steina berichtet. Im Jahr 2005 beginnt über eine Neuausrichtung eine Planungs- und Umbauphase, die im September 2007 mit der Wiedereröffnung des Glasmuseums abgeschlossen wird. Heute präsentiert sich ein erweitertes, modern gestaltetes Museum mit interessanten Ausstellungsbereichen und einem freundlichen Serviceangebot.
SÜDSCHWARZWALD
Im neuen Wald & Glas-Zentrum von Gersbach:
Auf den Spuren der historischen Waldglas-Hütten (Werner Störk, Projekt- und AG Leiter der AG MINIFOSSI von der Friedrich-Ebert-Schule Schopfheim)
Die große Tanne im Gersbacher Wappen zeugt von der besonderen Rolle des Waldes für die Entwicklung von Gersbach. Neben der Köhlerei, der Landwirtschaft und dem Bergbau wurden Alltag und Kulturraum des Bergdorfes seit dem 14. Jahrhundert vor allem durch das Schaffen der Waldglashütten geprägt. Davon zeugen heute noch Flurnamen wie die erstmals 1572 erwähnte „Glasermatt“ oder der „Glasberg“ bei Fetzenbach. Aber auch heute noch existierende Familiennamen wie Greiner, Haug oder Grässlin. Die Glashütten waren somit wesentlich am Entstehen der gerade für den südlichen Schwarzwald so typischen Landschaft verantwortlich und für den auch in Gersbach so charakteristischen Wechsel von offenen Weideflächen und isolierten Waldinseln: Besonders gut erkennbar bei „Ob dem Glasberg“ bei Fetzenbach im Norden, der „Glasermatt“ im Osten, dem „Glaserberg“ im Westen und dem „Glaserkopf“ an der Gemarkungsgrenze Hasel - Gersbach im Süden.
Die Wanderglashütten im südlichen Schwarzwald
Neben den an die Klöster gebundenen Glashütten - deshalb auch „Klosterhütten“ genannt - gab es seit dem Mittelalter auch die Wander-Glashütten, die zunehmend an Bedeutung gewannen. Im gesamten Schwarzwald wurden bislang rund zweihundert Glashütten historisch nachgewiesen, davon allein acht bei Gersbach.
Weitere fünfzig Nachweise von Glashütten im benachbarten Raum des Wiesentals und angrenzender Regionen dokumentieren die exponierte Stellung unseres Raumes bei der Waldglasherstellung im südlichen Schwarzwald.
In Gersbach ist dies vor allem durch den Waldreichtum zu erklären, der wiederum seine Ursache in der Burgundischen Pforte und dem dadurch von Nordafrika beeinflussten milden Klima hat, das hier noch auf rund 1000 Metern Höhe Buchen wachsen lässt. Sie lieferten das begehrte Grundmaterial zur Herstellung von Pottasche und Holzkohle – neben Quarz und Kalk (vom Dinkelberg) – die wichtigsten Rohstoffe für die Waldglas-Herstellung. Zusätzlich gab es mehrere lokale Tonvorkommen, so dass auch dieser Rohstoff für die Glasöfen und Glashäfen vorhanden war. Gleichzeitig gab es durch die Städte im Hochrheintal sowie durch das urbane Zentrum Basel zahlungskräftige Absatzmärkte, die auch relativ verkehrsgünstig erreicht werden konnten.
Die Bedeutung der Glashütten lässt sich auch an den außerordentlichen Privilegien erkennen, die den Glasbläsern eingeräumt wurden. Sie waren von der Leibeigenschaft befreit und man erlaubte ihnen, auf den gerodeten Flächen zur Eigenversorgung Landwirtschaft und Viehzucht zu betreiben. Selbst ein Schankrecht wurde ihnen gewährt.
Dort jedoch, wo man den Reichtum des Waldes über die bestehende Infrastruktur – also Wege oder Wasserstraßen – gewinnbringend für den Holzhandel nutzen konnte, versagte man den Glasbläsern, sich dort niederzulassen. Als neue Standorte für Glashütten wurden – ganz im Gegensatz zu den Glashütten im 13. und 14. Jahr-hundert – ab dem 16. Jahrhundert vorzugsweise Plätze an den Oberläufen von Gebirgsbächen und in weit abgelegenen Waldbereichen zugewiesen, wo die zur Herstellung von Glas benötigten natürlichen Rohstoffe in ausreichender Menge vorhanden waren.
So sicherte sich die Herrschaft gleich zwei Einkommensquellen: Zu einem aus den Gebieten, in denen das Holz relativ leicht gewonnen wurde und über Fuhrwerke oder Flöße zu den Abnehmern gelangte. Zum anderen durch die Ansiedelung der Glas-hütten in jenen Gebieten, die siedlungsfern und für den Holzhandel nicht erschlossen werden konnten. Solche Standorte schufen auch nachhaltige Anreize für eine später nachfolgende größere Siedlung mit landwirtschaftlicher Nutzung und damit sogar eine erste Voraussetzung für die Gründung eines Weilers oder eines Dorfes.
Dennoch wurde die Glasproduktion mit ihrem immensen Holz- und Waldverbrauch bereits schon im 14. Jahrhundert neben dem Bergbau zum stärksten Nutzungskonkurrenten. Wobei die Glasmacher jedoch – ganz im Gegensatz zu den Bergleuten – ihre einstigen Produktionsstätten offensichtlich mieden und ihre Hütten an ihren ehemaligen Plätzen nicht erneut errichteten.
Neben der insgesamt geheimnisumwitterten Herstellung des Glases galten vor allem die Glasrezepturen als streng gehütetes Familiengeheimnis: Ein Geheimwissen, das nur noch mit dem der Kompass-Anwendung bei den Markscheidern (historische Bergvermesser) oder bei den Seefahrern vergleichbar war.
War der natürliche Vorrat des Rohstoffs Buchen in der Umgebung der Glashütte aufgebraucht, brach man die hüttenartigen Wohnstätten sorgfältig ab, lud sie auf Karren und suchte sich einen neuen Standort. Dort wurden dann die zerlegten Wohnhütten wieder neu errichtet. Man spricht deshalb auch von Wanderglashütten.
Die selbst heute noch feststellbare bewusste Zerstörung der Glasöfen beim Verlassen des alten Standortes sowie der vollständige Rückbau ihrer Siedlung sollten wohl sicherstellen, keinerlei auswertbare Spuren der Glas-Produktion zu hinterlassen. Der Begriff der „Glaswüstung“ gibt diesen Zustand sehr treffend wieder. Denn der Wald eroberte die einst freigehaltenen Anbau- und Siedlungsflächen dann sehr schnell wieder zurück, wenn diese nicht sofort durch Bauern aus dem nächsten Dorf und durch eine kontinuierliche landwirtschaftliche Nutzung offen gehalten wurden. Ein sehr anschauliches Beispiel dafür bietet das „Dietenschwander Gewann“.
Zur Offenhaltung bzw. zur Übernahme eigneten sich dabei vor allem Areale, bei denen auch eine ganzjährige Wasserversorgung gewährleistet war. Dies wurde von den Glasern wie von den Bauern durch das Anlegen von Wuhren geregelt. Das „Scherwuhr“ gehört zu den ganz besonderen Kulturdenkmälern im Gersbacher Wald.
Das Gersbacher „Scherwuhr“ wird erstmals 1572 urkundlich erwähnt. Die Wuhranlage ist eine wassertechnische Meisterleistung, die das Wasser von insgesamt neun Quellen und deren Zuläufen aufnimmt und damit ganzjährig eine kontinuierliche Wasserführung garantiert. Auf insgesamt 1900 Metern Länge wird das Quellwasser von 980 Höhenmetern hinunter auf 905 Meter geführt. Wobei das Gefälle mit exakt zwei Prozent stets so angelegt wurde, dass die Erosionskraft der Strömung das Wuhrbett bzw. dessen Sohle einerseits nicht tiefer legte, andererseits aber auch durch eine ausreichend schnelle Wasserführung die Sedimentierung von Schlamm oder Sand vermieden werden konnte.
Selbst nach den urkundlich belegten weit mehr als 400 Jahren kann man heute immer noch die Funktionalität der Gesamtanlage bestaunen, die nachweisbar bis in unser Jahrhundert hinein zur Bewässerung der Wiesenflächen auf dem „Dietenschwander Gewann“ herangezogen wurde. Die Bewässerung wurde sowohl als „Düngung“ eingesetzt, half aber auch im frühen Frühjahr, den noch auf den Wiesen- und Grasflächen liegenden Schnee schneller abzuschmelzen und so ein früheres Wachstum der Grashalme anzuregen.
Vergleicht man die vorliegenden Datierungen der Glashütte mit dem „Scherwuhr“, so kann man davon ausgehen, dass dieses tatsächlich schon zur Bewirtschaftung des „Dietenschwander Kopfes“ angelegt wurde, bevor man die dort jetzt nachgewiesene Glashütte errichtet hat. Die Frage, inwieweit das „Dietenschwander Gewann“ seine ursprüngliche Entstehung bereits einer schon früher hier errichteten Glashütte verdankt bzw. durch die Köhlerei für eine etwas weiter entfernt arbeitende Glashütte entstanden ist, kann wohl nicht mehr geklärt werden. Es ist nicht ohne weiteres völlig auszuschließen, dass es hier zu unterschiedlichen Zeiten zwei räumlich relativ nah gelegene Standorte von Glashütten gegeben haben konnten: Dafür sprechen auch die zwei aktuellen, völlig unterschiedlichen Fundsituationen.
Am Dietenschwander Gewann bestand wohl immer schon eine besonders günstige Kombination von positiven Standortfaktoren: Landwirtschaftlich nutzbarer und zugleich fruchtbarer Boden für die lebensnotwendige Selbstversorgung der Glaser mit ihren Familien sowie eine ganzjährig gesicherte Wasserversorgung für Pflanzen, Tier und Mensch. Und natürlich auch optimale Bedingungen für die Glasproduktion: Neben genügend Buchenwald sowie anderen Rohstoffen, war auch die verkehrsgünstige Nähe zu zwei historischen Straßen, von denen eine über Mettlen nach Wehr und so ins Hochrheintal bis Basel und die zweite über Todtmoos-Au auf den Hotzenwald bzw. nach Todtmoos und St. Blasien führte, ein wichtiges Entscheidungskriterium für die erfolgreiche Ansiedlung einer Glashütte.
Das waldgrüne Waldglas
Mit Waldglas bezeichnet man ein Pottascheglas, welches vom 12. bis 17. Jahrhundert in den Waldglashütten der deutschen Mittelgebirge hergestellt wurde. Neben dem typischen und auch den Namen gebenden waldgrünen Farbton – in allen Farbabstufungen – gibt es aber auch Farbtöne von braun bis grau: Ausschlaggebend waren dafür immer die im verwendeten Quarzsand enthaltenen Anteile der verschiedenen Metalloxyde.Die charakteristische Grünfärbung des Pottasche-Waldglases ergab sich durch die „Eisenschüssigkeit“ des Quarzsandes, der Eisenoxid enthielt.
In Gersbach gewann man diesen wichtigen Rohstoff auch in Form von Kiesgeröllen in den Bächen oder kompakt an sog. „Quarzriffen“ in den steilen Westflanken des Wehratales. Beim „Pochen“, das man entweder manuell mit einem Hammer oder mit Hilfe eines mechanischen „Pochwerkes“ vornahm, wurden die einzelnen Gesteinsbrocken zu feinem Gesteinsmehl zerschlagen. Das relativ hohe Risiko, sich dabei – wie auch im Bergbau – eine tödliche Staublungezu holen und schon früh an den damals nicht heilbaren Folgen zu sterben, war den „Pochern“ wohl noch nicht bewusst.
Das vorliegende Quellen- und Forschungsmaterial lässt den Schluss zu, dass zwischen dem 13. und 14. Jahrhundert wenigstens zehn Glashütten im südlichen Schwarzwald arbeiteten. Diese frühen Hütten befanden sich – im Gegensatz zur späteren Entwicklung – in relativ geringem räumlichem Abstand zum Altsiedelland, wohl um dessen infrastrukturelle Vorteile - wie z. B. eine verkehrsgünstige Lage – zu nutzen.
Als man in Venedig herausgefunden hatte, dass man die ungewollte Grünfärbung mit Manganverbindungen (Braunstein), der „Glasmacherseife“, verhindern konnte, begann der Siegeszug des „gewaschenen“ Glases – auch im Schwarzwald. Schon 1516 unterscheidet man das „luter glas“ (lauteres, geläutertes, reines, farbloses Glas) im Gegensatz zum „geferbt glas“, was sich dann auch in der Unterscheidung zwischen dem „edleren Tafelglas“ zum „einfacheren“ Waldglas niederschlägt.
So ist bereits um 1500 ein starkes Aufleben des Glasmachergewerbes festzustellen: Steigender Bedarf in den urbanen Zentren, wachsende Kaufkraft der städtischen Bevölkerung, eine reichhaltigere Produktpalette – ein Trend, der sich bis ins 16. Jahrhundert fortsetzt. Gefertigt wurden anfänglich vor allem Butzenscheiben.
Mit dem Ausbau der Produktpalette kamen dann unterschiedlichste Trink- und Vorratsgefäße wie Nuppenbecher, Krautstrunkgefäße, Rippenbecher, aber auch kleine Medizin-Fläschchen und größere Trinkflaschen sowie Paternoster-Glasperlen dazu – was sich auch im Gersbacher Fundspektrum eindeutig belegen lässt.
Glashütten und Glasträger zwischen Wiese und Wehra
Auch in unserem Raum taucht jene Berufsgruppe auf, die in der Anfangsphase vermutlich unmittelbar zu den Glashütten gehörte, später aber eigenständige Handels- und Gewerbestrukturen aufbaute: Die Glasträger. In Tragkörben, den so genannten „truckhen“, später auf Karren, brachten sie die Glasprodukte in die Städte oder Klöster: So bestand St. Blasien auf dem Vorkaufsrecht für die in seinen Herrschaftsbereich hergestellten Glasprodukte. Diese mussten an den Hofmeister des Klosters abgeführt werden.
1610 wurden in den Glashütten von Hasel nur noch im Winter die Glasöfen betrieben, im Sommer dagegen hatte die Feldarbeit Vorrang.
Im Jahr 1623 finden sich erste Hinweise auf die Tätigkeit der Glaser in Hasel und 1637 erfolgt auch ein erster Eintrag im Kirchenbuch mit dem Hinweis, dass die Glasmeister aus dem Raum von Zell, vermutlich von den Glashütten am „Rohrberg“, kommen. Und mit dem Jahr 1651 ist erstmals – aus der legendären Familie der Greiner – ein Glaser namens Sebastian Greiner in Gersbach nachweisbar.
Es wäre sicherlich eine lohnenswerte Arbeit, sich auf die Spurensuche der Greiner im Südschwarzwald zu machen und dabei auch ihre überregionalen Verbindungen und Wanderungen zu untersuchen. Bei uns tauchen sie in Kandern, Wambach, Rohrberg, Hasel und eben auch in Gersbach auf.Nicht nur bei den Greiners, aber vor allem bei ihnen, kam es zu erstaunlichen überregionalen Wanderbewegungen: So wandert ein Hans Greiner um 1629 aus Schlesien nach Blasiwald, um in der dortigen Glashütte zu arbeiten. Aber auch regional kommt es zu nachweisbaren Wander-bewegungen der Glaser: von Rohrberg nach Hasel oder von Bernau nach Todtmoos-Schwarzenbach.
Zwischen 1651 und 1653 kommt es laut Dr. Schlageter, ohne jedoch weitere Hinweise darauf zu geben, zu einem „Gersbacher Zwischenspiel“. Und um 1690 sollen in Hasel zehn Wohnstätten der Glasbläser bestanden haben. Ebenso stand ihnen Gelände zur Bewirtschaftung zur Verfügung.
In den Glashütten und deren Siedlungen herrscht eine strenge Hierarchie. An der Spitze stand der „Glasvogt“, gefolgt von bis zu fünf „Glasmeistern“ pro Hütte. Ihnen unterstanden die „Glasergesellen“ und auf der unteren Ebene dieser Rangordnung arbeiteten die „Schürer“, Holzknechte und „Sandgräber“.
Neben diesen unmittelbar an die Hütte gebundenen Personen gab es noch eine Vielzahl von Zulieferern wie die „Aschebrenner“, aber auch Fuhrknechte für die umfangreichen Brennholzlieferungen. So entstand mit der Gründung einer Glashütte nicht nur eine isolierte Produktionsstätte für Glas, sondern es entwickelte sich um die Glashütte herum ein Netzwerk, das die Voraussetzung zur Bildung einer Infrastruktur schuf, die wiederum die Basis für einen ersten Siedlungskeim bilden konnte.
Waldraubbau nicht nur durch die Glashütten
Der Holzbedarf für die Glasherstellung war enorm. Für 100 Kilogramm reine Pottasche benötigten die Glaser rund 200 Kubikmeter Holz. Weitere 100 Kubikmeter waren notwendig, um die Pottasche zu Glas zu schmelzen. Für die Erzeugung von einem Kilogramm Waldglas mussten zwischen 200 - 250 Kilogramm Holz eingesetzt werden. Die Gesamtmenge setzt sich zusammen aus rund 100 Kilogramm Holz für die Befeuerung der Öfen und 150 Kilogramm für die Herstellung der dafür benötigten Pottasche.
In zeitgenössischen Berichten wurden die Glashütten oft als „holzfressendes Gewerbe“ bezeichnet und bereits im 14. Jahrhundert gab es Klagen über die von den Glasern verursachten massiven Waldverwüstungen. Auf Grund des starken Holzverbrauchs wird die Verweil- und Nutzungsdauer eines Hüttenstandortes durch die Glaser auf durchschnittlich 30 – 45 Jahre geschätzt. Im Nutzungsgebiet rund um den alten Glashüttenstandort brauchten die Buchen jedoch dann rund 150 - 200 Jahre, um wieder so nachzuwachsen, dass eine weitere Glasbläsergeneration in diesem Gebiet erneut ihre Produktion aufnehmen konnte. So registrierte man im gesamten Wiesental bereits schon 1613 immer schwächer werdende Waldbestände, vor allem im Hinteren Wiesental. Wie schnell umfangreiche Waldbestände bei der intensiven Nutzung von Glashütten dezimiert wurden, veranschaulicht eindrücklich das Beispiel Hasel. Dort werden die gesamten, ehemals sehr reichen, Waldbestände im Zeitraum von 1613 – 1720 völlig verbraucht, worauf die Glasmacher ihre Produktion einstellen mussten.
Neben den in den Quellen immer wieder aufgezählten Verursachern (Bergbau, Köhlerei, Glashütten, Holzhandel, Harzer) für den massiven Waldraubbau tritt ein weiterer, im ganzen Schwarzwald aktiver „Holzfresser“ bislang überhaupt nicht in Erscheinung: Der über 500 kilometerlange Schanzen- und Palisaden-Bau im Zuge der „Schwarzwald-Linien“ des Markgrafen Ludwig Wilhelm von Baden, auch bekannt als „Türkenlouis“, der als Oberbefehlshaber der Reichs- und Kreistruppen und mit Hilfe von Tausenden von Schanzbauern diese „Barriere“ gegen die Angriffslust des französischen „Sonnenkönigs“ Ludwig XIV. errichten ließ.
Hinzu kamen umfangreiche Stammholz-, Palisaden- und Faschinenlieferungen als Kontributionsleistungen für die französische Festung in Hüningen, aber auch nach Breisach.
Auf der Suche nach den historischen Glashütten in Gersbach
Interessant bei der Auswertung bekannter Quellen ist die Tatsache, dass Gersbach in allen bisherigen Veröffentlichungen lediglich eine untergeordnete Rolle und nur im Zusammenhang mit den bereits bekannten Flurnamen spielt. Wobei es im Bereich von Gersbach dennoch schon erste Untersuchungen aus dem Jahre 1970 gab und sich die Forschungsarbeiten vor allem ab dem Jahr 1999 deutlich intensivierten.
Erste Forschungsarbeiten liefen unter Dr. Hans Piepenbrink (…) zwischen 1970 bis 1972, ihm folgten die Untersuchungen von Dr. Albrecht Schlageter (…) in den Jahren 1985 bis 1988, danach die aktuell zehnjährige Feldarbeit der AG MINIFOSSI von 1998 bis 2008 und schließlich auch die Glashütten-Suche von Ulrich Siegener (…) von 2000 bis 2005 in Zusammenarbeit mit dem Gersbacher Heimatforscher Hans-Peter Weniger (…).
Vor allem bei den Untersuchungen der AG MINIFOSSI „... sind Landesaufnahmen in einer Genauigkeitsstufe entstanden, die oft weiter geht als die konventionelle Denkmalinventarisation … und liefern wichtige Grundlagen zur Erforschung des Südlichen Schwarzwaldes“.
Persönliche Kontakte zu Dr. Piepenbrink, Dr. Schlageter, Siegener und Weniger schufen die solide Grundlage für eine intensive Feldarbeit. Zusätzlich sorgte überraschend auch der Orkan Lothar (1999) dafür, frische „Wurzelfunde“ als neue Glaswüstungen zu identifizieren.
Alle Oberflächenfunde der AG MINIFOSSI kamen und kommen nach Freiburg, wo sie fachwissenschaftlich begutachtet und auch dort archiviert werden. Grabungen werden von uns grundsätzlich abgelehnt, da sie die Fundhorizonte für immer zerstören und eine fachwissenschaftliche Auswertung nicht mehr zulassen. Raubgräberei ist auch in Gersbach ein Thema, weshalb wir vorsorglich auf detaillierte Orts- und Fundangaben verzichten.
Über die Fundbewertungen kann eine der Gersbacher Glashütten dem 14. Jahrhundert zugewiesen werden. Sie gehört, also zu den frühenGlashütten im Schwarzwald und ist die bislang älteste der acht nachgewiesenen Glashütten in unserem Untersuchungsgebiet. Die weiteren Glashütten – soweit datierbare Funde vorliegen – wurden in die zweite Hälfte des 15. Jahrhundert und ins frühe 16. Jahrhundert eingeordnet.
Das neue Gersbacher Wald & Glas-Zentrum (WGZ)
Aufbauend auf diesen Forschungsergebnissen, mehreren Vorträgen sowie einer verstärkten Öffentlichkeitsarbeit wuchs nun auch in Gersbach der Wunsch, diese Erkenntnisse sowie die umfangreichen Funde zum Aufbau eines Wald & Glas-Zentrums einzusetzen. Mit dem Ziel, an die jahrhundertelange Tradition der Waldglashütten und des Waldgewerbes anzuknüpfen, darüber zu informieren und so auch die Erinnerung daran wach zu halten.
Aber auch, um die einzelnen Glaswüstungen als Bodendenkmäler zu schützen und bei forstwirtschaftlichen Arbeiten nachhaltig zu schonen. So fand ein konstruktiver Gedankenaustausch zwischen allen dafür Verantwortlichen vor Ort an den originalen historischen Glashütten-Standorten statt.
Nach zweijähriger intensiver Planungs- und Aufbauarbeit durch die WGZ-Leader-Planungsgruppe Gersbach, fachkompetent von Brigitte Weber (Schopfheim) sowie dem Gersbacher Künstler Wolfgang Gerstner begleitet, der das „Gersbacher Glasmännlein“ als WGZ-Signet erschuf, wurde das in dieser Form bislang landesweit einzigartige Wald & Glas-Zentrum aufgebaut.
Mitgetragen wurde diese Entwicklung von dem neu gegründeten Förderverein „Gerisbac“, der auch das WGZ zukünftig betreuen wird. Ohne die finanzielle Unterstützung der Leader-Plus-Förderung, also durch die EU und das Land sowie durch zusätzliche Mittel des Landkreises, der Stadt Schopfheim und des Ortsteils Gersbach hätte dieses besondere Projekt nicht umgesetzt werden können.
In dem Ausstellungsraum beim Rathaus werden – in kleinen Wechselausstellungen – ausgewählte Exponate der kulturwissenschaftlich wertvollen Waldglas-Sammlung (aktueller Bestand mit über 400 Objekten) gezeigt, welche von der AG MINIFOSSI in acht Jahren aufgebaut wurde. Daneben bestimmen diesen Raum eine rekonstruierte Glashütte mit einem Glasofen-Schnitt in Originalgröße, den die Schüler der Berufsschule Schopfheim unter der Anleitung ihrer Fachlehrer Decker und Ade bauten, sowie ein maßstabsgetreues Modell eines Kohlenmeilers.
Informationstafeln und exemplarisch ausgewähltes Bildmaterial, aber auch viele Anschauungsobjekte und Modelle bringen dem Besucher die Geschichte des Gersbacher Waldes und der Menschen nahe, die in und von ihm lebten. In einem angegliederten Nebenraum wird in der Fortführung der Thematik „Glas“ auch auf das bei der Herstellung von Glas unverzichtbare Element „Feuer“ hingewiesen und auf die Entwicklung des Feuerlöschwesens in Gersbach.
Neben den Ausstellungen im Wald & Glas-Zentrum werden punktuell in einem besonderen Begleitprogramm Glasbläser-Vorführungen, gastronomisch-lukullische Spezialevents sowie ein Glas-Kristall-Markt angeboten. Kombinierte Veranstaltungen mit der ebenfalls 2008 eröffneten Barockschanze auf dem Gersbacher „Scherentann“ ergänzen diese Palette.
Aber auch Sonderausstellungen einheimischer und überregional schaffender Glaskünstler sowie kleine Themenausstellungen runden das umfangreiche Kulturangebot im und um das neue Wald & Glas-Zentrum ab. Um die große und einmalige Sammlung insgesamt präsentieren zu können, gibt es schon Pläne, einen zusätzlichen Raum anzugliedern und so dem Besucher die Möglichkeit zu geben, sich umfassend über die Produktion und die historische Entwicklung des Waldglases und seiner speziellen Formen zu informieren. Besuche, Einzel- und Gruppen-Führungen können über die Ortsverwaltung Gersbach vereinbart werden. Parallel zu den Öffnungszeiten der unmittelbar benachbarten Gersbacher „Chäschuchi“ (Käseküche) kann auch das Wald & Glas-Zentrum besucht werden.
Weitere Informationen siehe http://www.jugendheim-gersbach.de/Wald-Glas-Zentrum-Gersbach.html
MECKLENBURG
Die Waldglas-Geschichte Mecklenburgs ist fast 400 Jahre alt. Der Schwerpunkt der Waldglas-Herstellung in Mecklenburg lag im 17. und 18. Jahrhundert. Beim zweiten Glassammlertreffen in Langen Brütz im November 2008 beleuchtete Dr. Jürgen Lewerenz in seinem Vortrag die Mecklenburger Waldglas-Geschichte unter Berücksichtigung verschiedener historischer Quellen und neuer Erkenntnisse. Freundlicherweise hat er seinen Vortrag hier als Download zur Verfügung gestellt.
THÜRINGEN
Der Thüringer Wald ist eine der bedeutenden Glasregionen in Mitteleuropa. Seit dem 12. Jahrhundert wird hier nachweislich Glas hergestellt. Hier fanden die Glasmacher alle Materialien, die sie für ihr Metier benötigten: Das Holz aus dem Wald zum Feuern der Öfen, Quarzsand als Hauptbestandteil des Glases, Kalkstein zum Härten und Buchenholz zum Sieden der Pottasche als Flussmittel zum Absenken des Schmelzpunktes der Glasmasse. Rodungen und Aufforstungen, Sandgruben und Wassermühlenanlagen sind prägende Elemente der Landschaft geworden. Natur und Glaskultur sind hier untrennbar miteinander verwoben.
Die ersten Glashütten waren Klöstern beigeordnet, die vor allem Fensterglas für ihre Kirchen und Fläschchen für Arznei benötigten. Es waren Wanderhütten, die nur kurze Zeit bestanden und ihren Standort wechselten, wenn der Wald rings herum abgeholzt war. Erst im 16. Jahrhundert entstanden um Glashütten herum Ortschaften. Langenbach und Fehrenbach waren die ersten dieser Gründungen. Etwas nach ihnen, 1597, kam Lauscha hinzu, das mit den Gemeinden in seinem Umland dann unter den zahlreichen Glasstandorten eine zentrale Rolle für das Thüringer Glas einnahm und für das künstlerisch gestaltete Glas immer noch einnimmt. Erst im 19. und 20. Jahrhundert gesellten sich Jena und Ilmenau als bedeutende Zentren für optische und technische Gläser sowie für hitzebeständiges Haushaltsglas (Jenaer Glas) hinzu.
So wie die Thüringer Glasbläser aus verschiedenen Regionen Mitteleuropas, vor allem aus Franken, Hessen, Schwaben und Böhmen eingewandert waren, verkauften sie ihre Waren nicht nur auf den heimischen Märkten. Wichtige Handelswege, z.B. zwischen den bedeutenden Messestädten Nürnberg und Leipzig, führten durch die Region und sorgten spätestens seit der Gründung der Dorfglashütten für einen weit reichenden Handel mit Thüringer Glas im deutschen Raum und weit darüber hinaus. Seit dem 19. Jahrhundert findet sich Thüringer Glas auch auf den Weltmärkten, wo es heute noch einen gewichtigen Anteil hat.
Bei einem Rundgang durch das Museum für Glaskunst kann die gesamte Palette Thüringer Glaserzeugnisse entdeckt werden.